Von der Industrialisierung zur Digitalisierung – und zwar lyrisch

Von der Industrialisierung zur Digitalisierung – und zwar lyrisch

Menschliche Rebellion gegen das Neue

„Mensch raus, Maschine rein,/muss das wirklich alles sein?“ Die Schüler/innen der 3AK setzten sich in Politische Bildung und Geschichte in den letzten Wochen intensiv mit Aspekten der Industrialisierung auseinander. Am Anfang stand dabei ein Brainstorming, inwieweit sich die technologische Revolution des 18. und 19. Jahrhunderts mit den gegenwärtigen Phänomenen der Digitalisierung vergleichen lässt. Deutlich wurde: Beide Phasen des Umbruchs werden nicht nur mit Innovation, sondern auch mit Angst vor dem Jobverlust und der Furcht vor dem Neuen assoziiert.

Inspiriert von den Maschinenstürmern des frühen 19. Jahrhunderts (siehe Titelbild) und konkret vom Weberaufstand des Jahres 1844 verfasste einst Heinrich Heine das berühmte Gedicht Die schlesischen Weber; darin heißt es:

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt,
Und uns wie Hunde erschießen läßt –
Wir weben, wir weben!

Angeleitet von Prof. Martin Erian gingen nun die Jugendlichen daran, sich mit den technologischen Innovationen auseinandersetzen, die heute den Alltag prägen und häufig auch schmerzliche Veränderungen bedingen: Onlinebanking, Kassenautomaten, GPS-Überwachung im Beruf oder das allgegenwärtige Smartphone, das die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen lässt.

Entstanden sind dabei zahlreiche Gedichte, die – angelehnt an den Eurovision Song Contest – beim Industrialisierungs-Lyrik-Contest der 3AK zur Wahl standen.

Durchgesetzt haben sich nach beinahe notariell beglaubigter Auszählung mit 65, 59 und 50 Punkten folgende drei Beiträge. Sie zeigen deutlich: Noch stärker als die wirtschaftlichen Folgen beschäftigen die alltäglichen Konsequenzen – vom Konsum von Fertiggerichten bis hin zum Abdriften in virtuelle Welten.


Die Tiefkühlpizza

Immer wieder kommt es vor,
greift man in das kalte Tor.
Die Tür geht auf, das Licht geht an,
entgegen kommt der Tiefkühlschmarrn.
Auch das Gemüse schaut entgegen,
doch du entscheidest dich dagegen.

Besser wäre es gewesen,
würdest du am Gemüse selbst genesen.

Nun bist du voll und kugelrund
Und leidest an Gedächtnisschwund.
Hättest du nur früher dran gedacht
Und nicht immer das Fertigzeug gemacht.


Smartphone-Wirklichkeit?

Gesenkten Blickes geht man heute,
zumindest ziemlich viele Leute,
kein Blick für Umwelt und Verkehr,
das Smartphone fesselt alle sehr.

Statt miteinander gleich zu reden,
sind Fremdkontakte stets von Nöten,
man muss ja seh’n zu allen Zeiten,
was andere Freunde grad so treiben.

Erscheinen die erst öffentlich,
wird’s für die anderen fürchterlich,
weil nicht davon ist auszugehen,
dass die anderen uns noch verstehen.

Weil’s Leben doch, genau gesehen,
in Wirklichkeit ist wunderschön,
und man genießt’s auf jeden Fall,
mehr analog als digital.


Macht doch Schluss!

Digi-, digi-, digital,
ist das denn nicht kriminal?
Ist das denn kein Feindesbild,
das sich auf uns Menschheit lehnt?
„Smartphone, online, Amazon“,
ist das jetzt der neue Ton?

Leute, seid ihr echt bereit?
Für eine solche neue Zeit?
Leut, seid ihr echt bereit?
Von Medien erobert zu werden in dieser Zeit?
Wollen wir einen Rückblick starten?

Auf all‘ die ganzen schlechten Taten,
welche die Ludditen vertraten?
Menschheit, mach doch endlich Schluss,
das ist doch jetzt echt kein Muss!

Leute, macht euch jetzt bereit
auf die zukünftige Zeit.
– Gibt’s das Desaster weit und breit?