Wie gelingt das Erinnern heute?

Wie gelingt das Erinnern heute?

Gespaltene Meinungen auch in der jungen Generation

Dafür – eine Minderheit mit guten Argumenten

Paul Mailänder: „Ich bin der Meinung, dass es durchaus sehr sinnvoll ist, an Gedenkstätten Fotos zu machen, wenn sie zur Aufklärung dienen oder wenn sie der Trauer für die Opfer gewidmet sind.“

Janine Weitzer: „Wir leben momentan in einem Zeitalter, in dem wir im Sekundentakt Fotos von uns oder Alltagssituation in der Welt herumschicken. […] So finde ich es gut, dass wir inmitten von Schrott, der uns überhäuft, auch mal ein Stück Bildung zu Gesicht bekommen.“

Anja Konatschnig: „Die Instagram-Seite, die bereits knapp 100.000 Follower hat, informiert über historische Ereignisse im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus, klärt die Follower über die Geschichte auf und erinnert somit an die Opfer des Holocaust. Dies finde ich in Ordnung, denn im 21. Jahrhundert gibt es kein Leben ohne Social-Media mehr. […] Die Frage, ob es in Ordnung ist an solchen Orten, an denen so Schreckliches passiert ist, fröhliche Selfies zu machen, stellt sich für mich allerdings gar nicht. Ich finde das respektlos.“

Dagegen – Ablehnung durch die Mehrheit

Kerstin Hirm: „Mit dem Wort ‚Selfie‘ verbindet man die Wörter ‚verrückt, glücklich und ausgelassen‘, doch die ist an einem Ort wie Ausschwitz nicht gerade angebracht.“

Diana Causević: „Meiner Meinung nach ist ein Selfie an so einem schrecklichen Ort einfach ein respektloses Fehlverhalten. Natürlich ist es generell nicht verboten, Fotos zu machen, habe ich persönlich auch beim Kon-zentrationslager Mauthausen gemacht, um die Geschichte vom Zweiten Weltkrieg in Erinnerung zu behalten, aber ein Selfie? Auf den Gleisen zu stehen, wo hunderttausende Menschen in den Tod deportiert worden sind, nur um mehrere Likes auf Instagram, Facebook und Co. zu bekommen, würde mir nie im Leben einfallen.“

Clarissa Lipnik: „Ich denke, es ist respektlos, Selfies in den Gedenkstätten zu machen. Schließlich soll man an die schrecklichen Ereignisse und an die Ermordeten denken, vor allem an diesen Stätten, und das kann man auch durchaus ohne dass man glaubt, Selfies machen und sie danach ins Internet stellen zu müssen.“

Selina Janesch: „In vielen Konzentrationslagern herrscht bereits ein Fotoverbot, doch wäre es nicht besser, in solchen Gedenkstätten ein generelles Smartphone-Verbot einzuführen? Dies würde dazu führen, dass Menschen sich auch während der Aufenthalte in Konzentrationslagern mehr auf das Wesentliche konzentrieren – die grausamen Taten des Zweiten Weltkriegs.“

Sofie Haslacher: „Als ich das Konzentrationslager besucht habe und der Gruppenleiter uns einige Geschichten von der Zeit erzählt hat, war mir nicht nach Fotos zumute. Ich versetzte mich in die frühere Lage und konnte die Brutalität und das Grauen spüren.“

https://www.instagram.com/p/B4tl18vpmgh/

Die kritische Mitte

Johanna Huber: „Für mich ist es respektlos gegenüber den Opfern, die so viel Leid und Furcht erleben mussten, Selfies zu machen. Die Instagram-Seiten und „Gedenk-Hashtags“ hingegen sind um einiges akzeptabler, wobei ich mir dabei auch die Frage stelle, ob das überhaupt notwendig ist … Ist es nicht tragisch genug, dass diese Todeslager bis heute stehen?“

Laurence Koberer: „Meine Meinung zu Selfies in KZ ist gespalten. Einerseits bin ich der Meinung, dass es irgendwie ein heiliger Ort ist und man diesen nicht einmal betreten sollte. […] Doch andererseits kann man es auch ganz anders sehen und man zeigt mit den tausenden Posts, dass diese Menschen nicht vergessen werden und sie unseren Respekt haben.“

Anna Lobnig: „Vor allem die jüngere Generation ist mit sozialen Medien aufgewachsen und weiß oft nicht, was an Gedenkstätten erlaubt ist und was nicht. Auch die Hashtags unter den Fotos zeigen oft einen besorgniserregenden Umgang mit der Geschichte.“

Johanna Krainz: „Das Aufnehmen ist die eine Sache, aber das Posten die andere. Schließlich besucht man so einen Ort nicht, um damit zu prahlen, dass man ihn gesehen hat, sondern um für sich selbst etwas dazuzulernen und seinen Bildungshorizont zu erweitern.“

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