Gedanken zum 10. Oktober
Rede zum 10. Oktober 2020
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Verbände,
werte Festgäste,
mir als Schülerin der Praxis-HAK Völkermarkt wurde die Ehre zuteil, an diesem Vorabend des 10. Oktobers einige Worte an Sie zu richten.
Morgen begehen wir in ganz Kärnten das hundertjährige Jubiläum der Kärntner Volksabstimmung des Jahres 1920. Es ist dies, wie auch meine Generation lernt und weiß, ein Ereignis, das die Kärntner Geschichte entscheidend mitgeprägt hat. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges brach für Kärnten für knapp zwei Jahre, eben bis zum Jahre 1920, eine leidvolle und opferreiche Zeit an, die vor allem durch die Bemühungen um die Sicherung der Heimat, durch das Bekenntnis der slowenischsprachigen Bevölkerung Kärntens zu Österreich und durch viele Konflikte geprägt war.
Heute ist das friedliche Miteinander aller Kärntnerinnen und Kärntner für die Allermeisten eine Selbstverständlichkeit, gerade auch für meine Generation. Und ich finde, das ist gut so.
Es ist aber nicht abzustreiten, dass vielen der Bezug zum Gedenkanlass, das Wissen über die historischen Entwicklungen und ihre Bedeutung für unsere Region, unsere Kultur heute immer öfter fehlt. Es ist bezeichnend: In diesem Jahr zog eine Wanderausstellung durch das Land und ausgerechnet als sie bei uns in Völkermarkt zu Gast war, war es uns Schülerinnen und Schülern aufgrund der Corona-Pandemie untersagt, sie zu besuchen und im Unterricht, im Gespräch untereinander, aufzuarbeiten.
Dieser Umstand erschwert die Auseinandersetzung mit der Geschichte, wie auch viele andere Faktoren: Interessen ändern sich, regionale Brauchtümer verlieren für viele an Bedeutung, das Wissen über die eigene Kultur nimmt ab. Ich selbst habe im Frühsommer für eine Reportage mit meiner Großmutter über ihre Lebensgeschichte gesprochen, über ihre Kindheitszeit, und es wurde für mich deutlich, dass nicht nur viele Jahre, sondern Welten zwischen unseren Jugendtagen liegen. Ja, unsere Welt hat sich verändert in diesen letzten hundert Jahren.
Wenn ich nun also hier stehe, hinter uns einhundert Jahre Gedenken und vor mir Sie, verehrte Festgäste, frage ich mich, wie meine Generation unsere Geschichte weitertragen kann, wie sich das Bild unserer Region weiterentwickeln wird und vor allem: wie wir dieses Bild auch selbst in eine neue Zeit führen können.
Fest steht, dass große Herausforderungen vor uns stehen, eine Berufswelt, die sich so schnell verändert wie nie zuvor , eine Gesellschaft, die Gefahr läuft, trotz oder wegen ständiger Vernetzung den persönlichen Kontakt zu unseren Mitmenschen zu verlieren, ein Planet, dessen Reserven wir viel zu rasch verbrauchen und zu guter Letzt eine Krankheit, die uns allen Sorgen bereitet.
Wenn wir heute auf unsere Geschichte zurückblicken, sind wir auch gefordert, gemeinsam Ideen für die Zukunft zu entwickeln, um als Gemeinschaft der Kärntnerinnen und Kärntner, der hier Geborenen und der Zugezogenen, der Deutschsprachigen, der Slowenischsprachigen, der Anderssprachigen eine Vision zu verfolgen. Eine gemeinsame Vision, die es uns erlaubt, unsere Region in ihrer Schönheit zu erhalten, für uns und für die nächsten Generationen. Der Kärntner Abwehrkampf, die Volksabstimmung und die vielen Auseinandersetzungen sind unvergessliche Teile davon. Gemeinsam brauchen wir eine Perspektive, um diese Geschichte für unser Bundesland, unsere Region, unsere Heimat positiv fortschreiben zu können.
Dafür braucht es das Bemühen aller, und hier will ich gerade meine Generation in die Pflicht nehmen. Es liegt in unser aller Hand, verehrte Festgäste, und in unserer Verantwortung, Erinnerungen zu pflegen, aber auch Vorstellungen weiterzuentwickeln und unsere Region in eine positive Zukunft zu führen. Eines ist sicher: Es ist die Mühe wert.
Anna Lobnig, Oktober 2020